Am Fuße des Rosenauberges, zwischen Wertach und Bahnlinie liegt ein wenig verwunschen das Thelottviertel. Der Namensgeber, Johann Andreas Thelott, ein Goldschmied, hat allerdings gar nichts mit dem Quartier zu tun. Dort, wo bildhübsche Ein- und Mehrfamilienhäuser mit bildhübscheren Gärten stehen, dehnten um 1900 noch die Wertachauen aus, die von Seitenarmen des Flusses, den „Rössen“ durchzogen waren. Der Name Rosenaustraße – so blumig er klingt – deutet auf diese Wertacharme hin, nicht auf die Rosenpracht der Gärten.
Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts war die Stadt der Aue näher gekommen, der Bahnhof und die Bahngleise entstanden. Doch in dem von Hochwasser gefährdeten Areal an der Wertach traute sich niemand zu bauen; bis der gestandene Unternehmer-Architekt Sebastian Buchegger 1907 auf den Plan trat.
Grundstücke zu kaufen, zu bebauen und die Häuser zu verkaufen oder vermieten war damals durchaus gängige Praxis. Aber ein Areal im Schwemmland des noch reißenden Gebirgsflusses Wertach zu erwerben schien doch zu abwegig. Bald sangen Bucheggers Kollegen schadenfrohe Spottlieder:
„Ja man hörte: Armer Tropf, scheint nicht richtig mehr im Kopf. Denn ein solch verrückter Plan, meinten viele, grenzt an Wahn. Einig aber waren Alle, in der Ansicht, dass im Falle wirklich er den Bau beginnt, doch kein Mensch hier Wohnung nimmt. …. Leicht wird sich wohl keiner finden, seine Heimstatt hier zu gründen oder gar ein Haus zu kaufen, um hier elend zu ersaufen.“
Allein, den Spöttern sollten ihre Lieder bald in ihren gehässigen Hälsen stecken bleiben. Denn Buchegger, als zehntes Kind einer Bauernfamilie in Singen am Hohentwiel 1870 geboren, war offenbar Kummer gewöhnt. Seine Gattin Betra Grau hatte zudem eine Mitgift in die Ehe gebracht, die sich offenbar sehen lassen konnte und dem Herrn Buchegger ordentliches Selbstbewusstsein verlieh.
Jedenfalls machte er sich unbeirrt daran, das zum Schleuderpreis erworbene Land (2,10 Mark pro Quadratmeter, verglichen mit 1,60 Mark für ein Pfund Butter) am Rosenauberg mit Drainagen trocken zu legen. Für die Straßen wurde das Gelände aufgeschüttet, weshalb die Gärten bis heute tiefer liegen.
Eine „Villencolonie“ nach Münchner Vorbild schwebte Buchegger vor, doch er war realistisch genug, um das neu entstehende Viertel auf Augsburger Verhältnisse zurechtzustutzen: So entstanden Einzel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser in gemütvoller Landhausarchitektur.
Wie gut, dass Buchegger während seiner Anstellung bei den Augsburger Star-Architekten Walter Krauss und Hermann Dürr, den jungen Heinrich Sturzenegger (geboren 1881) kennengelernt und 1905 für sein eigenes Architekturbüro abgeworben hatte. Sturzenegger sah nicht nur aus wie ein Elegant, er zeichnete auch wie Gott. Wer die hinreißenden kolorierten Werbebilder aus dem Hause Buchegger&Sturzenegger erblickte, konnte fast nicht anders, als ein Haus am Rosenauberg zu erwerben oder zu mieten, zumal beide Architekten selbst in die „Colonie“ zogen.
Bildete zunächst das Gasthaus Lenzhalde als Baukantine das Zentrum des emporwachsenden Thelott-Viertels, so führten später alle „Wege“ – die malerisch geschwungenen Straßen nämlich – zu Bucheggers Wohnhaus. Im vertäfelten Geschäftszimmer nahm der stolze Herr Unternehmerarchitekt die monatliche Miete entgegen. Und Bucheggers gingen mit gutem Beispiel voran, indem sie ihren Garten vorbildlich bestellten. Eifrig wurde so auch in den anderen Gärten des neuen Augsburger Stadtteils Obst und Gemüse gepflanzt, wie es einer „Selbstversorger-Siedlung“ entsprach; um unnötigen Müßiggang gar nicht aufkommen zu lassen, hatten Buchegger und Sturzenegger rückwärtig zu den Gärten keine Terrassen bauen lassen.
Bis heute haben die Häuser mit ihren Vor- und Rücksprüngen, Klappläden und Rankgittern nichts von ihrem Zauber verloren. Faulenzen ist aber in den Gärten – dem Vernehmen nach – durchaus drin. Manche Visionen also gehen sogar in Augsburg auf.