Der Auftrag klingt ziemlich klar: Dies hier soll ein Text über die ältesten Häuser Augsburgs werden. Also her mit den ältesten fünf. Doch so einfach ist die Sache nicht – das zeigt ein Blick in die Liste der denkmalgeschützten Gebäude von Augsburg.
Da ist zunächst einmal die sehr elementare Frage: Was eigentlich ist ein Haus? Schon die süddeutsche Ansage „I geh aufs Häusl“ für den notwendigen Toilettengang lässt es erahnen, hinter dem Begriff „Haus“ verbirgt sich alles Mögliche. Wir sprechen von Gotteshaus, Rathaus, Schneckenhaus… Gut, ein Schneckenhaus mag nicht gerade das älteste in Augsburg sein, obwohl das irgendwie passen würde. Beziehen wir aber die Kirchen mit ein, so ist der Dom wohl das „älteste Haus“ von Augsburg, denn das Kirchenschiff entstammt noch dem 11. Jahrhundert, Teile der Bausubstanz reichen noch weiter zurück.
Aber halt… Ist Augsburg nicht römischen Ursprungs? Da war doch was mit Drusus, Tiberius und dem feschen Kaiser Augustus?!
Es stimmt schon, manche Steine in Augsburg sind noch älter. Und wenn wir Ruinen oder Fragmente zu den Häusern zählen, dann ist der Dom doch noch ganz schön jung. Da gibt es dann zum Beispiel die Ruine St. Godehard (8. Jh.) und da gibt es meist im Boden versteckt Grundmauern aus der Antike. Würde man schließlich Gräber auch als Häuser sehen, geht es bis in die Bronzezeit zurück. Die Augsburger hatten zudem die Eigenschaft, älteres Baumaterial zu verbauen – frühere Generation waren eben Meister des Re- und Upcyclings. Da steckt dann das „Siebenkindl-Relief“ in einer wesentlich jüngeren Fassade.
Wenn aber in touristischen Hochglanzprospekten vom „ältesten Haus“ einer Stadt die Rede ist, ist meist ein Wohnhaus gemeint. Also gut, suchen wir das älteste Wohnhaus Augsburgs in der Denkmalliste. Da tauchen etwa die Jahre 1366/67 für das Bauwerk Philippine-Welser-Straße 20 auf; die Beiwörter „im Kern“ zeigen es aber schon: Allzu viel 1366 steckt nicht in dem Haus, auch wenn es sehr schön anzusehen ist, mit seiner filigranen Fassade von 1766. Könnten wir einen Blick ins erste Obergeschoss werfen, würden wir zudem ein Fresko aus dem 14. Jahrhundert zu sehen bekommen auf dem eine ritterliche Hirschjagd dargestellt ist.
Bis 1385 reicht das Haus Kirchgasse 8 im Ulrichsviertel zurück, also bis in die „Urzeiten“ dieses Stadtteils. Weil meistens Schriftquellen fehlen, um die Bauzeit ermitteln zu können, nutzt die Denkmalforschung die Bausubstanz selbst als Quelle. Besonders genau kann über das Holz datiert werden (Dendrodatierung). Für das Anwesen Kirchgasse 8 konnten im Dachstuhl Hölzer ermittelt werden, die 1385 gefällt wurden. Das heißt, die Altersbestimmung des Bauwerks beruht auf der Vermutung, dass das Holz rasch verbaut wurde.
Auf dieselbe Weise können auch die Häuser Am Eser 17 (1392) und Waisengässchen 11 (1398) im Ulrichs- und Lechviertel datiert werden. Über 600 Jahre sind sie also, das ist schon ganz ordentlich für diese kleinen, unbedeutenden Architekturen.
Gerade das „Belanglose“ erfuhr zwar oft weniger Veränderung als das „Repräsentative“, weil weniger Geld in ein Handwerkerhaus gesteckt wurde als – sagen wir – in das Palais der Fugger.
Vor allem die einfache und funktionale Architektur verschwand aber im 19. Und 20. Jahrhundert oft ganz. Insofern sind gerade die herzallerliebsten alten Handwerker- und Zinshäuser am Eser und an der Kirchgasse absolute Raritäten.