Das ist eine seltsame Stadt, die nicht nur einen Lech hat, sondern zudem einen Vorderen, Mittleren und Hinteren Lech, einen Sparrenlech und einen Schwalllech. Der letztgenannte Kanal ist zwar recht kurz, aber durchfließt einen besonders „romantischen“ Teil Augsburgs. Erinnert Ihr Euch, als wir gemeinsam auf der Brücke an der Prinzstraße standen und darüber nachdachten, ob das Rheingold in einem Augsburger Kanal versenkt liegt? Unter selbiger Brücke werden aus dem Kaufbach der Sparrenlech und eben der Schwalllech geboren. Kommt mit uns auf einen Spaziergang entlang des Schwallechs.
Diesem Wasserschwall folgen wir nun, so gut wir können. Die Prinzstraße laufen wir Richtung Innenstadt, biegen rechts in die Remboldstraße ab, dann links in die Margaretenstraße und endlich rechts in die Schwibbogengasse. Ihr werdet sehen: Klingt auf dem Papier schneller, als es ist. Aber wer bis zur Schwibbogengasse durchhält, muss zugeben: Ist das schön!
Nur: Schwibbögen gibt es keine dort. Das sind Bögen, die über sehr enge Gässchen gebaut sind, sozusagen „schweben“. Die Schwibbogengasse hat ihren Namen vermutlich von dem im 14 Jahrhundert errichteten und 1867 abgebrochenen Schwibbogentor. Weil’s ein gar so schöner Begriff ist, gibt es auch noch einen Schwibbogenplatz und eine Schwibbogenmauer. Seitlich der Gasse fließt er nun wieder, der Schwalllech, ihr ahnt es schon, dieser Text wird überproportional oft „Sch“ enthalten….
Zurück zur Sache: Über den Kanal ragen Holzbauten, früher klapperten darin Mühlräder – den Schwall galt es schließlich zu nutzen. Mehrere alte Handwerkerhäuser recken ihre Giebel in den Himmel, z.B. eine alte Schäfflerei, in der also Gefäße aus Holz hergestellt wurden. Die Bezeichnung Schäffler geht auf das Schaff, ein Schöpfgefäß oder Getreidemaß zurück.
Schräg gegenüber der Schäfflerei liegt das kleine Café Rufus in einem entzückenden Häuschen mit Mansardendach. Wir schlendern durch die Gasse, vorbei am Wasserrad am Schwalllech, das 1986 nach historischem Vorbild gebaut wurde und sich eigenartig „nutzlos“ in den Wellen dreht (oder manchmal auch nicht). Die Schwibbogengasse mündet in den Straßenzug „Beim Schnarrbrunnen“ (uff, schon wieder „Sch“). Hier soll tatsächlich einmal ein Schöpfbrunnen gestanden sein, wobei das Herablassen des Eimers am Flaschenzug ein „schnarrendes“ Geräusch gemacht haben soll.
Wir überqueren die Straße „Am Schwall“. Sie markiert etwa die Stelle, an der das Wasser für die „Schwallmühle“ gestaut wurde, die dem Kloster St. Ulrich und Afra gehörte. Der Kanal ist deshalb relativ breit und relativ reißend.
Im 18. Jahrhundert kam es an dieser Stelle zum Eklat: Im Sommer strömten Badewillige meist denkbar leicht bis gar nicht bekleidet hierher um sich in die Fluten zu stürzen. Und das vor den Augen der Nonnen von St. Ursula! Stadtpfleger von Langenmantel wurde herbeigerufen, um den Schamlosen ins Gewissen zu reden. Es soll zu Handgreiflichkeiten gekommen sein, woraufhin der Badespaß im Schwall verboten wurde.
St. Ursula war zunächst eine Niederlassung der Beginen. 1431 wurden diese der geistlichen Leitung des Dominikanerklosters von Margareth unterstellt. Die Heilige Ursula pilgerte laut Legende mit 11.000 Jungfrauen nach Rom. Nach ihrer Rückreise von Basel mit dem Schiff den Rhein herab, wurden alle bei Köln von den Hunnen mit Pfeilen getötet. Gegenüber des Ursulaklosters lag deshalb das Gasthaus „Zum Schiff“ mit einer passenden Wetterfahne, die noch erhalten ist.
Die kleine Ursulakirche aber steht anmutig an der Stelle, an der sich der Schwalllech in den Mittleren und den Hinteren Lech teilt. Bis ich Euch von diesen beiden Kanälen erzähle, könnt ihr euch auf die Brücke stellen und in die graugrünen Wellen schauen, auf denen das Kirchlein zu schwanken scheint.