Da der Blick in die Zukunft gerade etwas trüb ist, wenden wir uns in die andere Richtung und machen mit euch eine Reise in die Vergangenheit der Fuggerstadt. Vor gar nicht so langer Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, veränderte sich das Stadtbild Augsburgs rapide und nahm langsam die Gestalt an, die wir heute zum Teil kennen. Die Stadtmauern verschwanden und es entstanden neue Wohnviertel. Zu unserem Glück beauftragte das Bauamt in Augsburg – damals von Ludwig Leybold geleitet -Fotografen wie Carl Jochner, um diesen Wandel zu dokumentieren. Somit ist es uns heute möglich, zusammen mit euch, einen Abstecher in die Geschichte Augsburgs zu machen. Mal sehen, ob ihr die sieben Orte erkennt. Los geht die Reise!
Dieses elegante, 1871 errichtete Bauwerk mit seiner geschwungenen Fassade und dem Runderker über dem Eingang stand an der Mündung der Bahnhofstraße in den Bahnhofsplatz. Architekt war Ludwig Leybold höchstselbst– damals durften Stadtbauräte auch noch für private Bauherren tätig sein. Leybold verehrte den Hamburger Architekten Gottfried Semper und schmückte seine Gebäude wie dieser mit Motiven aus der italienischen Renaissance. Das Hotel wurde 1944 beschädigt, danach vereinfacht wiederaufgebaut und 1981 abgebrochen. Seitdem steht hier die Victoria-Passage.
Nach dem weitgehenden Abbruch der Befestigungsanlagen ab 1860 wurde die um die Altstadt herumführende Straße neugestaltet. Während im Westen ein Prachtboulevard mit Theater, Bibliothek und Justizpalast entstand, blieb die Bebauung im Osten löchrig. Es wurden aber die Brücken über den Stadtgraben neu gebaut, wie 1869 hier auf Höhe des Stephingertores. Das Tor selbst wurde um diese Zeit herum abgebrochen.
Hier seht ihr die städtebauliche Situation auf der anderen Seite der Altstadt: Anstelle von Wall und Graben war eine sehr breite Straße mit Alleebäumen entstanden – man könnte sagen, Augsburg spielte hier ein bisschen Wien oder Paris. Ludwig Leybold wusste aber natürlich, dass eine kleinere Stadt wie Augsburg keine so massive Architektur benötigte wie die Metropolen. Er setze deshalb auf das so genannte Pavillonsystem
, das heißt, es höchstens zwei oder drei Häuser aneinandergebaut, nicht jedoch ganze Zeilen; Ausnahme in Augsburg war die Bahnhofstraße. Durch die offene Bebauung wurde eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Wohnungen gewährleistet.
Eine der größten Leistungen des 19. Jahrhunderts war der Bau von Schulen. Allein Leybold entwarf für Augsburg über zehn Schulgebäude. Das Knabenschulhaus St.Max, das wir hier 1877 im Bau sehen, war eines davon. Leybolds Schulhäuser hatten immer großzügige Treppenhäuser, die nach außen meist durch einen vorspringenden Mittelteil sichtbar waren. Seitlich lagen die Klassenzimmer. Turnhallen wurden meist erst später errichtet.
Leybold erbaute für sich und seine Familie 1878 eine kleine „Villa“ an der Hühnerstraße (heute Stettenstraße), die an Sempers „Villa Rosa“ (1839) in Dresden erinnerte. Während die ebenfalls von Leybold errichteten Nachbargebäude zum Teil gut erhalten sind, wurde sein eigenes Wohnhaus 1944 stark beschädigt und danach stark vereinfacht wiederaufgebaut. Die Stettenstrasse zählte um 1880 zu den schönsten Wohnstrassen Augsburgs.
Durch das starke Wachstum der Städte im 19. Jahrhundert waren infrastrukturelle Maßnahmen nötig, um die hygienischen Bedingungen zu verbessern. Nach Cholera Epidemien erneuerte die Stadt Augsburg ihr Wasserleitungssystem. 1879 entstand deshalb ein Wasserwerk mit einem damals sensationell neuen Pumpensystem und so genannten Druckkesseln als Speicher. Das Wasser kam nun direkt aus dem Stadtwald durch gusseiserne Röhren in die Stadt geflossen. Die vermutlich von Ludwig Leybold entworfene und von Karl Albert Gollwitzer ausgeführte Architektur zollte dem Stolz auf die moderne Technik Tribut: Sie hatte mit zwei Türmen, Terrazzoböden und Schablonenmalereien im Innern einen beinahe sakralen Charakter. Das Wasserwerk ist heute eines der 22 von der UNESCO geschützten Objekte in Augsburg.
Fotografie wurde auch eingesetzt, um historische Bauten zu dokumentieren. So fotografierte Carl Jochner um 1880 den lichtdurchfluteten Spiegelsaal im Augsburger Schaezlerpalais – damals war es noch ein Wohnhaus. 1958 schenkte Wolfgang Freiherr von Schaezler das Palais zum Gedenken an seine beiden im Krieg gefallenen Söhne der Stadt Augsburg. Der Bau sollte für alle Zeiten ausschließlich kulturellen Zwecken dienen. Seitdem sind hier Teile der Kunstsammlungen Augsburgs zu sehen. Bis heute ist der glanzvolle Spiegelsaal Herzstück des Schaezlerpalais geblieben.