Im zweiten Teil unserer Kultur-Tipps für den Landkreis Augsburg, fahren wir für euch in das nordöstlich von Augsburg gelegene Neuburg an der Donau. Hier steht das Stadtschloss von Neuburg und das haben wir uns für euch mal näher angesehen.
Fast so groß wie die ganze Altstadt ist das Schloss – ein gewaltiger, nüchterner Bau mit zwei Ecktürmen (1660-68) erhebt sich direkt am Abhang zur Donau. Keine Müdigkeit vorschieben, wir steigen natürlich hinauf, müssen zunächst unter dem Schloss hindurch und stehen nach einigen Schnaufern in einer bezaubernden Stadt. Das Neuburger Schloss ist ein in mehreren Etappen ‚gewachsener’ komplexer Bau. Aber warum hat eine so kleine Stadt ein so großes Schloss?
Ich mach’s so kurz wie möglich: Das ganze hat etwas mit der komplizierten Familiengeschichte der Wittelsbacher zu tun. Im Mittelalter spaltete sich das Herzogtum Bayern in vier Teile auf:
1. Bayern-München (nein, nicht der Fußballverein)
2. Bayern-Ingolstadt
3. Bayern-Landshut
4. Bayern-Straubing.
Darum haben all diese Städte relativ große Schlösser; jeder der Wittelsbacher wollte eben das größte haben. Die Herzöge hatten sich darauf verständigt, dass immer, wenn eine Linie ohne männliche Nachkommen blieb, es zur Wiedervereinigung kommen solle: So vergrößerte sich das Herzogtum Bayern-München im 15. Jahrhundert um Straubing und Ingolstadt.
In Landshut, einer damals beinahe reicheren und kultivierteren Stadt als München, blieben Herzog Georg der Reiche und seine Frau Hedwig von Polen ohne männlichen Erben. Georg setzte findig seine Tochter Elisabeth und ihren Ehemann, Ruprecht von der Pfalz (‚der Tugendhafte’) als Nachfolger ein, was jedoch sein Münchner Vetter Albrecht IV. nicht akzeptierte.
Es kam nach Georgs Tod 1503 zum Konflikt; 1504 bestimmte Kaiser Maximilian I. im Augsburger Rathaus, dass das reiche Bayern-Landshut an Wilhelm IV. fallen sollte. Die Sache wurde dennoch kriegerisch ausgefochten und endete zugunsten Albrechts. In der Folge erlebte seine Residenzstadt München einen gewaltigen Aufschwung.
Im ‚Kölner Schiedsspruch’ bestimmte Kaiser Maximilian, dass die Söhne Ruprechts und Elisabeths, Otto Heinrich (genannt Ottheinrich) und Philipp (‚der Streitbare’) die neugebildete Pfalzgrafschaft Pfalz-Neuburg erhalten sollten. Das Nest an der Donau wurde plötzlich die Residenzstadt zweier Herren, die einen gepflegten Lebensstandard für reklamierten. 1556 wurde Ottheinrich sogar Herrscher in Heidelberg, der Residenzstadt der ‚Kurpfalz’ und ließ dort noch im selben Jahr den berühmten, überbordenden ‚Ottheinrichsbau‘ auf dem prächtigen Schloss errichten.
Aber zurück an die Donau. Ottheinrich lebte bereits in Neuburg auf reichlich großem Fuß. Sein Körperumfang wuchs ebenso wie seine „hoch auf einem Sporn“ über der Donau gelegene Schlossanlage (ab 1527). Weil der Pfalzgraf bald ziemlich unbeweglich wurde, verwendete er einen Rückenkratzer aus Elfenbein. Das Heim in Neuburg brauchte jedenfalls keine Vergleiche, auch nicht mit der Münchner Residenz scheuen.
Neben dem Schlossmuseum mit den historischen Innenräumen, darunter die von Augsburger und Neuburger Künstlern gestalteten, gezierten Grotten seitlich der Schlossterrasse, die protestantische(!) Schlosskapelle mit einem spektakulär von Hans Bocksberger freskierten Himmel oder das hinreißenden ‚Diana-Zimmer’ (1670), birgt der Palazzo eine Gemäldegalerie, die man eher in einer Großstadt vermuten würde.
2005 richteten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in mehreren Räumen, darunter dem riesigen Festsaal eine Pinakothek mit 120 flämischen Barockbildern ein. Es war die späte Wiedergutmachung dafür, dass das 1617 von Peter Paul Rubens für die Neuburger Hofkirche gemalte ‚Große Jüngste Gericht’ 1691 von dort ‚entführt’ worden waren und nach einer kleinen Odyssee heute schließlich in der Münchner Pinakothek gezeigt wird.
Die beiden ebenfalls 1619 von Rubens gemalten Seitenaltarbilder ‚Anbetung der Hirten’ und ‚Ausgießung des Heiligen Geistes’ kehrten 2005 als Herzstück der Gemäldegalerie nach Neuburg zurück.
Neben den Rubens-Tafeln seht ihr in der Galerie auch Bilder von Jan Brueghel d.Ä., Frans Snyders, Anthonis van Dyck, Jacob Jordaens und David Teniers.