Heute finden wir uns auf der Prinzstraße im Textilviertel – doch junge Herren königlichen Geblüts sind hier nirgendwo zu sehen. Egal, wir sehen uns trotzdem mal um, denn es gibt einiges zu entdecken. An der Einmündung des Caritaswegs führt die Straße über einen Kanal. Schauen wir nach Süden, heißt dieser Kaufbach – schauen wir nach Norden, hat er auf wundersame Weise – vielleicht durch göttliche Liebe – seinen Namen geändert in Sparrenlech. Ihr kennt das ja schon, Kanäle in Augsburg geben sich nicht mit einem Namen zufrieden.
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Sparrenlech, das klingt schon sehr bildhaft. Vielleicht kommt der Name tatsächlich von Sparren (Holzbalken) die den Kanal früher einfassten. Auch eine Familie Sparrer, verwandt mit den Langenmantel „vom Sparren“ geistert als Namensgeber durch die Literatur. Sicher ist, dass der Sparrenlech auch noch andere Namen hatte; im Stadtrecht von 1276 wird er „Rotigers Laech“ genannt, weil hier die Rotigermühle lag. Bisweilen steht auf alten Karten auch die Bezeichnung Ochsenlech. Es ist eine schöne Sache, dass ganz in der Nähe des Ortes, an dem der Sparrenlech quasi geboren wird, unter der Brücke der Prinzstraße, das Gasthaus Rheingold liegt. So, als ob der legendäre Schatz auf dem Grund des Sparrenlech liegen könnte…
Zunächst aber enteilt uns der Kanal, weil er durch eine Wohnanlage mit gewaltigen Zeilenbauten fließt. Bis 1972 erhoben sich hier die schlossartigen Bauten der Spinnerei und Weberei Kahn & Arnold, die nach der Schließung des Unternehmens (1969) wirtschaftlich überflüssig waren. Eigentlich gab es damals schon gute Ideen für eine Umnutzung, nämlich für die kurz vor der Gründung stehende Universität. Aber in Augsburg fand man es besser, die gesamte Anlage platt zu machen und eine Betonburg hochzuziehen.
Wir müssen also zunächst die Prinzstraße stadtauswärts laufen und dann links in die Gärtnerstraße abbiegen. Hier gibt es noch einige Mietshäuser, die um 1900 entstanden. Wenn ihr rechts in die Seilerstraße guckt, steht da an der Biegung noch ein kleines Haus; hier war ein legendärer Treffpunkt im Viertel, das Gasthaus „Kervansaray“ mit rückwärtigem Biergarten. Seit Jahren nun herrscht Leerstand und es wird wahrscheinlich wieder jemanden geben, der Plattmachen für die beste Option hält.
Also nochmal kurz ein Auge drauf werfen und zurück in der Gärtnerstraße weiterspazieren bis zur Provinostraße. Wir biegen links ab und dann gleich wieder rechts in die Wagenhalsstraße. Der hübsche Name (was ein Hals wohl so alles wagen kann?) erinnert an die mittelalterliche Vorstadt zum Wagenhals, die im 14. Jahrhundert abgebrochen wurde. Hier treffen wir wieder auf den Sparrenlech. An seinem Ufer steht links ein zierlicher gelber Turm mit Zinnen, wie ein Stück Neuschwanstein in der Vorstadt. Das Bauwerk wurde als Wasserwerk errichtet, von hier aus speiste im 18. Jahrhundert Johann Caspar Schaur seinen großen „Lustgarten“. Die Grünanlage ist heute von einem Zeilenbau besetzt, aber wenigstens erinnern alte Bäume und auch der der Turm noch an das alte Gartenreich.
Die Wagenhalsstraße führt in den Forsterpark mit seinem Spielplatz. Nichts ist geblieben von der Villa der Familie Forster, die einst inmitten des Parks lag. Die Familie Forster beteiligte sich an der Kattundruckerei Schöppler & Hartmann, die an dieser Stelle vor dem Vogeltor lag. Unter Karl Ludwig Forster kam es zu einem Aufschwung des Unternehmens, das bald zu einem der größten in Augsburg zählte. Nach dem Tod Karl Ludwig Forsters (1877) wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und hieß „Neue Augsburger Kattunfabrik“ (NAK). Die Druckmuster für die Stoffe bilden den Grundstock des Textil- und Industriemuseums. Von der NAK blieb nur ein Verwaltungsbau, in dem heute u.a. die VHS beheimatet ist. Die Produktionsbauten wurden samt und sonders abgebrochen und an ihrer Stelle die City-Galerie errichtet. Das soll jetzt aber keine Einladung zum Shopping sein.
Wir wenden uns vom Konsumtempel ab und überqueren die Jakoberwallstraße brav über die Ampel. Beim Vogeltor biegen wir rechts in die Vogelmauer ein, dann gleich wieder links in die Straße „Auf dem Plätzchen“. Damit haben wir das Textilviertel verlassen und sind im ehemals ummauerten Stadtgebiet angekommen; in der Jakobervorstadt genauer. Nun heißt es den Sparrenlech wieder zu finden. Das ist auch gar nicht schwer: Wieder links abgebogen in das Wämstlergässchen (benannt nach den Wämstlern, die tierische Innereien verarbeiteten) hören wir spätestens in der Gasse „Im Sack“ den Sparrenlech wieder plätschern.
Ein kurzer Abschnitt unseres Weges heißt jetzt auch „Am Sparrenlech“. Die Häuser stehen hier ganz nah am Kanal, auf der rechten Seite erkennt ihr die Rückseite der Fuggerei. Weiter geht’s – das Karrengässchen entlang bis zur Jakoberstraße, die wir überqueren. Wer will, holt sich bei Șirin Baklava was Süsses, – und wer will nicht?
Mit klebrigen Lippen und Fingern laufen wir weiter bis zur Kreuzung am Graben und biegen dann links in den Mittleren Graben ein. Ja das stimmt schon, hier gab es auch einen Graben obwohl wir ja innerhalb der alten Stadtmauern sind: Die Jakobervorstadt wurde nämlich erst im 14. Jahrhundert in den Mauerring einbezogen. Die älteren Stadtgräben liefen also durch die Stadt hindurch.
Keine Angst, jetzt dauert’s nicht mehr lang. Immer geradeaus über die Pilgerhausstraße die jetzt – das muss man zugeben – keine Preis für Idylle bekommen wird. Auf der linken Seite bringt wenigstens das Stadtbad ein paar Jungenstil-Schwünge in das ausgezehrte, autogerechte Stadtbild. Wenn wir den kleinen Platz „Am Rößlebad“ erreicht haben, sieht es schon wieder hübscher aus.
Am gelben Haus gegenüber ist das „Siebenkindel-Relief“ angebracht, ihr seht es gut, wenn ihr Euer Opernglas aus der Tasche holt und eine Blick hindurch werft. Denn vermutlich haben wir alle nach der ganzen Latscherei keinen Bock mehr, die Straße zu überqueren. Jedenfalls werdet ihr erkennen, dass auf dem Relief nur sechs Kinder zu sehen sind.
DIE SIEBENKINDEL-SAGE
Die Siebenkindel-Sage ist die Stadtsage Augsburgs und es ist nicht verwunderlich, dass sie mit Wasser zu tun hat: Ein Ehepaar hatte sieben Kinder, die immer am Wasser spielten. Das siebte Kind fiel ins Wasser und ertrank. Um seiner Ehefrau über den Schmerz der Trauer zu helfen, ließ der Vater ein Relief mit den sechs lebenden Kindern fertigen. Das siebte aber, so sagte er, solle in den Herzen der Eltern weiterleben.
Man weiß übrigens nicht so genau, ob am Rößlebad Pferde gebadet wurden, die heute noch sichtbare Pferdeschwemme lag im Wolfsbach an der Friedberger Straße. Ein Herr Rößle soll hier ein Bad betrieben haben, lautet eine andere Herleitung und tatsächlich lag hier im 19. Jahrhundert einen Wannen- und Schwitzbad (Haus-Nummer 6). Die Häuser sind noch die alten; so sah früher, vor den immensen Zerstörungen 1944, die gesamte Jakobervorstadt aus. Es war ein Arme-Leute-Viertel in dem aber auch die Gärten der Patrizier und das Theater, der „Kommödienstadel“ lag. Wir müssen nur ein Stück die Gasse entlanglaufen und stehen auf einer Brücke; unter uns, der Sparrenlech. „Im Elend“ hieß diese Gegend früher. Aber es war wohl keine Anspielung auf „Ärmlichkeit“. Der Name leitet sich entweder von einem Herrn Elend ab, der hier Grundbesitz hatte oder von einer „Anlände“, also einem Anlegeplatz am Sparrenlech. Denn auf diesem Kanal waren auch Flöße unterwegs und kamen hier besonders weit in die Stadt hinein.
Wir laufen noch das Rahmgartengässchen weiter und erreichen als Höhe- und Endpunkt die Gedenktafel für Salomon Idler. Dieser hatte sich einen Flugapparat gebaut und wollte vom Perlachturm springen. Ein Geistlicher soll den ambitionierten Erfinder ermahnt haben, es erst einmal eine Nummer kleiner zu versuchen. So sprang er von einer Mauer beim Rahmgarten (hier bearbeiteten die Lodweber ihre auf Rahmen gehängten Loden-Tuche), legte eine Bruchlandung hin und erschlug vier unschuldige Hühner. In diesem Sinne: Macht’s gut und bleibt sicher.