Augsburg früher und heute IX Die Parsevalhalle

aussen Parsevalhalle

Heute geht unsere Reise in die Augsburger Vorstadt, rechts der Wertach – genauer gesagt in die Heinrich-von-Buz-Straße. Von außen sieht das Gebäude an der Heinrich-von-Buz-Straße unscheinbar aus: Ein zweistöckiger, gelb gestrichener Putzbau am Rande eines Industrieareals, doch so unscheinbar wie es scheint, ist das Gebäude nicht. Wir erzählen euch wie die denkmalgeschützte Parsevalhalle zu ihrem Namen kam und was sonst noch alles in ihr geschehen ist. Los geht’s….

Innen Parsevalhalle – ©Privatsammlung Gregor Nagler
© Privatsammlung Gregor Nagler

Die Geschichte des Fabrikareals

Seit 1890, als das Bauwerk entstand, hat sich das Ortsbild in dieser Ecke Augsburgs stark verändert. Nach Süden lag damals noch ein großer englischer Garten. Das Fabrikareal aber gab es im 19. Jahrhundert schon. Es gehörte der von Ludwig August Riedinger 1851 gegründeten Maschinen- und Bronzewarenfabrik, eines der erfolgreichsten Unternehmen im Königreich Bayern.

Ludwig August Riedinger stammte aus „einfachen Verhältnissen“ wie man so schön sagt und hatte sich hochgearbeitet: 1838 wurde der gerade einmal 28-jährige erster Karderiemeister der Mechanischen Baumwollspinnerei und -weberei Augsburg (SWA), vier Jahre später schon technischer Direktor des Unternehmens. Riedinger setzte sich vor allem auch für die Nutzung von Gas zur Beleuchtung der Städte ein.

Nach dem Tod Ludwig Augusts 1879 führte sein Sohn August Riedinger das Unternehmen sehr erfolgreich weiter. In der Riedingerschen Fabrik entstanden nicht nur die „Riedinger-Laternen“, Straßenlaternen, die in Augsburger Nächten heute noch an vielen Stellen ein Lichtlein aufgehen lassen, sondern ab 1895 auch ein riesiger Ringleuchter für den deutschen Reichstag.

Innen Parsevalhalle – ©Privatsammlung Gregor Nagler
© Privatsammlung Gregor Nagler

Den Entwurf für diese „Lichtkrone“ lieferte der Architekt Oskar Dedreux und damit kommen wir zu unserem Haus an der Heinrich-von-Buz-Straße zurück: Eben dieser Dedreux war auch Architekt des Bauwerks. Was aber soll so besonders daran sein? Was von außen nicht sichtbar ist: Im Inneren des Gebäudes liegt eine über zwei Stockwerke reichende Halle mit Tonnendach. Vorbild für diesen Typus der Halle waren römische Thermen; das dreigeteilte Bogenfenster, das an der nördlichen Stirnseite Licht in die Halle lässt, heißt auch Thermenfenster.

Wozu aber wurde diese Halle so repräsentativ gebaut? Sie diente nicht als Fabrikhalle, sondern barg das Privatmuseum August Riedingers. Der war ein gebildeter Herr, hatte in Zürich studiert und auch Vorlesungen des berühmten Architekten Gottfried Semper gehört. Die Sammlung des Unternehmers wuchs auf Hunderte von Objekten, Leuchter, Kruzifixe, Gemälde, Teppiche und und und…

Dem Architekten Dedreux stelle Riedinger einen Kunsthistoriker, Felix Mader zur Seite. Die beiden inszenierten die Kunstgegenstände geradezu theatralisch; Ziel war die Überwältigung aller, die in die Halle gelassen wurden, nicht die Konzentration auf einzelne Stücke.

Innen Parsevalhalle

„Dies alles erweckt in uns eine so erhebende Stimmung, wie wohl kein anderes Museum zu erregen vermag.“

Zeitgenössischer Kommentator

Vier Jahre später schon begann Riedinger aber, die Sammlung schrittweise zu verkaufen – aus den Auktionskatalogen wissen wir genau, was alles so in seinem Museum herumgestanden hatte. Schade um das Museum, aber Riedinger wollte als Unternehmer buchstäblich noch höher hinaus und gründete 1897 eine Ballonfabrik. In dem nun leergeräumten Museumssaal und seinen Nebenräumen wurde ein von August Franz Max von Parseval konstruiertes, erstmals volltaugliches und lenkbares Prall-Luftschiffkonstruiert und genäht. Nicht nur das Luftschiff wurde mit dem Namen „Parseval“ versehen, auch die Halle hatte nun ihren Namen weg.

Innen Parsevalhalle – ©Privatsammlung Gregor Nagler
© Privatsammlung Gregor Nagler

Die Parsevalhalle heute Ein Denkmal, das Wohnraum schafft

Lange nach Augusts Tod (1919) fusionierten die Riedingerschen Fabriken mit der MAN. Über Jahrzehnte gab es jedoch keine Idee, was mit der schönen und geschichtsträchtigen Parseval-Halle geschehen sollte. Sie diente als Lager, mehrfach sollte sie abgebrochen werden, wurde aber unter Denkmalschutz gestellt. Nach der Sanierung bis 2021 dienen die Nebenräume als Studentenwohnheim, in die Halle ist ein Restaurant eingezogen, das – natürlich – schlicht und einfach „Parsevalhalle“ heißt.