Die verlassenen Villen von Augsburg Rette das architektonische Erbe Augsburgs!

geheimtipp augsburg petition alte häuser retten 21 – ©Privatsammlung Gregor Nagler

Villen unter hohen Baumkronen, die scheinbar oder tatsächlich verlassen sind, üben eine besondere Faszination auf uns aus. Sie sind zu einem regelrechten Sinnbild für das „Gruselige“ geworden. Fast jede Stadt hat solche Häuser oder Villen mit blinden Scheiben, die leer stehen und denen allerhand Spukgeschichten angedichtet werden können. So auch die Fuggerstadt – und die haben wir uns für euch einmal näher angesehen. 

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Gänsehaut `Profondo Rosso` schon gesehen?

In Dario Argentos Film führt die Suche nach einem unheimlichen Mörder den Protagonisten und schließlich in eine verlassene Jugendstil-Villa – der Drehort war die bestens gepflegte „Villa Scott“ (1902). Im Film kommen düstere, kindliche Wandmalereien unter frischen Putzschichten zum Vorschein, da sind Fenster vermauert und tauchen geheime Räume auf.

Die Wellenburger Straße und ihre Villen um 1900. – ©Privat Sammlung Gregor Nagler
So schön war es um 1900… die dritte links ist die Villa auf der Wellenburger Straße 42.
© Privat Sammlung Gregor Nagler


Auch in Augsburg stehen solche Gebäude, die einiges zu erzählen haben. Man sieht sie im Vorbeilaufen oder -fahren, sie gehören irgendwie dazu und sind doch etwas entrückt hinter wucherndem Hecken und Bäumen. Und nicht selten sind sie dann eines Tages verschwunden. Und mit ihnen die Spuren der Menschen, die in ihnen lebten oder arbeiteten. 

Gerade jetzt sind drei davon im Gefahr !

Alle drei Gebäude sind, wie die „Villa Scott“ zu Beginn den 20. Jahrhunderts entstanden, als Augsburg eine prosperierende Industriestadt war, denn 1910 war die Marke von 100.000 Einwohnern überschritten. Nur Wenige lebten natürlich in Villen, doch diese verkörperten den wirtschaftlichen Erfolg nicht nur ihrer Besitzer, sondern auch der Stadt. Die repräsentativsten Wohnbauten standen also häufig an städtebaulich herausgehobenen Stellen. 

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Göggingen

Die Villa mit den Geistern

Kontakt Wellenburger-Straße 42, 86199 Augsburg

Im Sommer ist die Villa kaum zu sehen, so sehr wuchern Bäume und Efeu im Garten. Das Haus ist geprägt von seinem seitlichen Giebel, den Putzfassaden und Klappläden. Erker und Windfang im Eingangsbereich verstärken die Asymmetrie. Da wirkt nichts protzig, die Villa verströmt den Charakter eines Landhauses. Neben ihr stehen noch zwei weitere, ganz ähnliche Gebäude; eine hübsche Baugruppe, auf die die Wellenburger-Straße zuläuft. Alle drei Villen und auch die kleineren Häuser an der Butzstraße, gehörten einst der Gögginger Zwirnerei und Nähfadenfabrik (ZNFG), deren Produktionsbauten ein paar hundert Meter entfernt lagen. 

Als Architekt für die Villa mit der Nummer 42 beauftragte die ZNFG circa 1905 den Stuttgarter Architekten-Unternehmer Philipp Jakob Manz, der in Augsburg auch den Glaspalast erbaute. Ein Blick ins Gögginger Adressbuch von 1931/32 verrät, dass hier damals der Betriebs-Ingenieur Karl Hüsser wohnte, nebenan der Färbereileiter Andreas Summerer und der Zwirnereileiter Alban Rundel. 

Am Abend aber leuchten im Obergeschoss der seit Jahren leerstehenden Villa Wellenburger Straße 42 bisweilen Lichter und jagen manch sensiblem Gemüt, das vielleicht Dario Argentos „Profondorosso“ gesehen haben mag, Schauer über den Rücken. 

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Thelottviertel

Die rote Villa

Kontakt Perzheimstraße 36, 86150 Augsburg

Ein ganz neuer Stadtteil war gegen 1910 mit dem Thelottviertel im Schwemmland der Wertach entstanden. Die überaus liebliche Lage zwischen dem großen, rauschenden Gebirgsbach und einer Anhöhe, dem Rosenauberg, lockte jeden, der gerne etwas abseits der Stadt im Grünen lebte in die Einfamilienhäuser-Kolonie der Architekten Sebastian Buchegger und Heinrich Sturzenegger.

Auch hier waren allerorten Elemente der Landhaus-Architektur zu sehen: Giebel, Spaliere für Obstbäume, Klappläden und Sprossenfenster. Vorbild war vielleicht die Darmstädter Mathildenhöhe. An den geschwungenen Straßen und kleinen Plätzen standen Mehrparteien- und Reihenhäuser einträchtig beisammen.

Eine der wenigen waschechten  Villen im Viertel ließ sich der Gewehrpfropfenfabrikant Friedrich Hans 1911/12 an der Perzheimstraße errichten und gleich nebenan, an der Ravenspurgerstraße, auch seinen Fabrikbau. Wegen des schönen Blicks in die Wertachaue wünschte sich Friedrich Hans bald eine Veranda, die 1913 angebaut und 1921 überdacht wurde.

Es ist verwunderlich, dass so ein schönes Haus über Jahre leer stand, noch mehr aber, dass es vielleicht den Baggern zum Opfer fallen soll.

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Hochfeld

Ein echter Hingucker

Kontakt Hochfeldstraße 15, 86159 Augsburg

Die Hochfeldstraße war um 1910 eine richtige „Goldmeile“; prächtigste Reihenhäuser mit geschwungenen Giebeln und Blumendekor an den Fassaden auf der einen, aufwändig gestaltete großbürgerliche Miethäuser auf der anderen Straßenseite. Das vielleicht schönste Haus aber gehörte dem „Privatier“ und ehemaligen Unternehmer Hermann Diesel, einem Vetter von Rudolf Diesel. Die „Star-Architekten“ Albert Jack und Maximilian Wanner hatten beim Entwurf dieses Bauwerks 1902 tief in die Requisitenkiste des Luxus gegriffen: feinste Terrazzoböden, Kassettendecken, ein Treppenhaus mit geschnitzten Balustern. Auch von außen war die an der Ecke zur Neidhartstraße freistehende Villa mit Giebeln, Ecktürmchen und reichem Putzdekor ein echter Hingucker. Sogar der Zaun passte dazu. 

1944 wurde die „Diesel-Villa“ beschädigt, aber in ihrer Grundform wiederaufgebaut. Nun jedoch soll auch sie, nachdem sie einige Zeit leer stand, abgebrochen werden; und mit ihr die Geheimnisse, die schönen oder auch die schrecklichen, die sie im Stillen hütet. Denn, so schrieb der italienische Autor Italo Calvino in ‚Die unsichtbaren Städte‘, „die Stadt sagt nicht ihre Vergangenheit, sie enthält sie wie die Linien einer Hand, geschrieben in die Straßenränder, die Fenstergitter, die Brüstungen der Treppengeländer, die Blitzableiter, die Fahnenmasten, jedes Segment seinerseits schraffiert von Kratzern, Sägespuren, Einkerbungen, Einschlägen.“

Wie schön wäre es…

… wenn diese drei Villen Bewohner finden könnten, die ihre Vergangenheit zum Sprechen und nicht Schweigen brächten. 

 

Mach mit und rette die Geschichte Augsburgs

In dem offenen Brief und der aktuellen Petition wollen wir den Erhalt historischer Bausubstanz über Erhaltungssatzungen, die in anderen Städten schon üblich sind,fordern.

Dafür brauchen wir deine Hilfe !