Augsburg früher und heute VI Der Kesselmarkt

geheimtipp Augsburg Kesselmarkt

Am Kesselmarkt gibt’s schon lange keine Kessel mehr; keine Milch, keinen Flachs, Hanf oder Hopfen und auch keine Kartoffeln oder Topfpflanzen mehr. All diese Waren hat die platzartige Straße in ihrer Karriere als Markt (seit 1332 belegt) schon gesehen. 1930 aber war Schluss damit, denn auf dem Gelände der Lotzbeck’schen Tabakfabrik an der Annastraße war ein Zentralmarkt entstanden – der heutige Stadtmarkt. 

Das Hoechstetterhaus

Seitdem, könnte man sagen, ist die Geschichte des Kesselmarktes eine von Ödnis wachsenden Ausmaßes. Denn zunächst war ja immerhin die schöne Bebauung geblieben, die den nun  „leeren“, leicht ansteigenden Raum umschloss: das Hoechstetterhaus mit seinem hinreißenden gotischen Erker, das Stettenhaus mit dem neugotischen Giebel, das barocke Sankt-Martins-Stift – es war ein architektonisch reizender Winkel des alten Augsburgs. Er wurde deshalb oft fotografiert und auch als Postkartenmotiv verschickt. 

geheimtipp Augsburg Kesselmarkt – ©Privatsammlung: Gregor Nagler
Der Kesselmarkt um 1920
© Privatsammlung: Gregor Nagler

Wer waren die Hoechstetter?

Die Hoechstetter und Stetten gehörten zu den wichtigsten Familien in Augsburg. Ambrosius Hoechstetter konkurrierte mit Jakob Fugger, das Hoechstetter-Haus am Kesselmarkt (1504-07) hatte neben dem Erker eine Dachterrasse, auf der der Hausherr Südfrüchte zog und einen italienisch anmutenden Laubengang. 1944 war dies (fast) alles dahin, nur der Erker ragte aus den Trümmern und wurde 1962 – Ironie der Geschichte – an die Fuggerei versetzt. Im Stettenhaus wurde seit 1906 die naturkundliche Sammlung der Stadt Augsburg gezeigt. Auch dieses Bürgerhaus wurde 1944 zur Ruine. 

In den 1950er Jahren: Die AZ-Zentrale und Geschäftshäuser

An die Stelle der ehemals geschmückten Architektur traten in den 1950er Jahren zeittypische Rasterbauten: Die AZ-Zentrale und Geschäftshäuser. Auch die Sammlung des Naturmuseums und das Planetarium kamen hier wieder unter. Auf Postkarten der 1950er und 1960er Jahre wirkt das alles noch ganz heiter: Helle, lichte Architektur, Käfer und Isettas auf der Straße, Frauen in bonbonfarbenen Petticoat Kleidern und Herren mit Stock und Hut auf den Fußwegen. 

Der Kesselmarkt heute 

Heute aber ist der gesamte Straßenraum abgasgeschwängert; Verkehrslärm weht von der Ludwigstraße herüber. Die Platzstraße, früher ein belebter Markt, ist heute ebenfalls Autos vorbehalten. Fußgänger sind eine Randerscheinung. Raum und Straßenfläche sind öde und ungestaltet. Nur Reklameschriften schreien den Fußgänger an. Niemand mag hier flanieren. Man läuft eben durch den Kesselmarkt – wenn es der kürzeste Weg ist. 

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